Unerwartet sei der Kollge und Freund Roman Arndt gestorben. Ihm seien die folgenden Ausführungen daher gewidmet, erklärt Thomas Thorausch einleitend.
Er stellt die Leitfrage, ob man Tanz überhaupt archivieren könne und wirft einen Blick zurück in die Geschichte der Tanzarchive.
Es habe ein williges Zusammenspiel der Mehrzahl der Tanz-Schaffenden mit dem NS gegeben und dies sei lange verschwiegen worden. Die Schaffung des Tanzarchivs durch Kurt Peters sei nach dem Zweiten Weltkrieg ein visionärer und richtiger Akt gewesen. Sehr stark habe es eine Konzentration auf „objektive“ Quellen wie Spielpläne, Besetzungslisten, Beleuchtungspläne gegeben. Dann aber auch persönlichere, emotionalere Quellen wie Tagebücher von Beteiligten. Auch die fremde Perspektive dürfe aber in den Beständen von Tanzarchiven nicht fehlen. Die Lust am Sammeln, aber auch der Wunsch, dem Tanz eine, anderen Kulturformen vergleichbare Überlieferungsmöglichkeit zu geben, stünden am Anfang der Tanzarchive.
Eine erste Theorie des Sammelns habe Johann Wolfgang Goethe formuliert. Die frühen Tanzsammlungen hätten auf dieser Grundlage die pädagogische Vermittlung von Tanzkunst zum Ziel gehabt. Dies habe sich aber zu einer Aufbewahrung von Werken bewunderter Tänzerinnen und Tänzer entwickelt. Bilder und Autographen von diesen Künstlern seien zunehmend der Sammlungsgegenstand der Tanzarchive gewesen. Dagegen habe sich die Verankerung und Nutzung der Bestände der Tanzarchive in der Ausbildung von Tänzerinnen und Tänzern verloren. Zunehmend sei in den 1980er Jahren die Forschung nach Motiven künstlerischen Handelns in den Blick gerückt.
Im Internet seien zahlreiche Initiativen zur Sammlung von Stücken zur Tanzkunst neben den etablierten Tanzarchiven entstanden und zum Teil ebenso schnell wieder verschwunden. William Forsythe habe eine Computeranwendung kreiert, um neuen Mitgliedern seiner Company eine Auseinandersetzung mit seiner Choreographie zu ermöglichen, die bis heute verfügbar sei.
Aktuell sei man mit dem Versuch, Tanz zu archivieren, an einem Scheidepunkt angekommen. Es gebe konkurrierende Eigeninitiativen unter Aufbietung aller technischen und kreativen Mittel. Das Multiple bestimme unsere Gegenwart. Die ewig gültig geglaubte Verbindlichkeit der Bestände der etablierten Tanzarchive sei damit in Frage gestellt. Es stelle sich die Frage, ob man das Konzept des Speichergedächtnisses oder des Funktionsgedächtnisses verfolgen wolle.